Windkraft-Serie, Teil 8: Warum Windräder nicht wie spanische Windmühlen aussehen

Oliver
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Die Urlaubszeit geht zu Ende und einige von euch kehren vielleicht gerade von den Balearen zurück. Dort sind euch sicher die malerischen Windmühlen aufgefallen: Steintürme mit Holzflügeln oder bunten Rotorblättern. Die traditionellen Windmühlen auf Mallorca haben meist sechs Holzflügel, die Windräder des 20. Jahrhunderts in der Ebene um den Flughafen von Palma drehen sich dank zwölf oder mehr gebogenen Blechflügeln. Doch warum sehen moderne Windkraftanlagen völlig anders aus? Warum haben sie nicht dutzende Rotorblätter, sondern stets genau drei?

Aller guten Dinge sind drei Rotorblätter

Die Antwort liegt in einer perfekten Balance aus Physik, Wirtschaftlichkeit und Technik. Windkraftanlagen mit drei Rotorblättern bieten einfach die effizienteste Ausnutzung der Windkraft.

Das theoretische Maximum der Energieausbeute beträgt 59,3 Prozent (Betz-Limit). Je mehr Blätter ein Rotor hat, desto mehr arbeiten die einzelnen Blätter in der von anderen Blättern verursachten Wirbelströmung. Dadurch sinkt die Effizienz erheblich.

Warum nicht zwei Blätter?

Zweiblattrotoren haben entscheidende Nachteile.

  • Aerodynamik & Ertrag: Zwei Blätter fangen weniger Wind ein und müssen bei höherer Drehzahl arbeiten = lautere Anlagen, höherer Verschleiß.
  • Kritische Lagerbelastung: Bei gerader Blattzahl wirken stärkere Kräfte auf die Rotorachse, was zu ungleichmäßiger Belastung der Lager führt.
  • Instabilitäten: Der rotierende Zweiblatt-Rotor kann instabil wippen („Gyroscopic Precession“).

Warum nicht vier oder fünf Blätter?

Auch mehr als drei Blätter bringen keinen Vorteil.

  • Minimaler Mehrertrag: Die Ertragssteigerung durch ein zusätzliches Blatt ist minimal, die Kosten hingegen deutlich höher. Ein Rotorblatt kostet rund 200.000 Euro.
  • Strukturelle Herausforderungen: Moderne Anlagen haben Rotorblätter zwischen 50 und 85 Meter Länge bei einem Gewicht zwischen 15 und 25 Tonnen – zusätzliche Masse bedeutet exponentiell höhere Belastungen. Ein weiteres Rotorblatt würde also eine komplette Anpassung der gesamten Statik erfordern.

Perfekte Balance der Drei-Blatt-Lösung

Der Dreiblattrotor ist aerodynamisch am leichtesten beherrschbar. Aufgrund der günstigen Massenverteilung ändert sich das Trägheitsmoment am Rotor während der Umdrehung nicht. Dieses stabile Laufverhalten und zusätzlich die nur geringe Geräuschbelastung haben den Dreiblattrotoren auf dem Markt eine Vorrangstellung verschafft. Etwa 90 Prozent der heutzutage eingesetzten Windkraftanlagen sind mit Dreiblattrotoren ausgestattet.

Von der Tradition zur Innovation

Die vielblättrigen spanischen Windmühlen waren für Wasserpumpen oder Getreidemahlen optimiert und benötigten daher viele langsam laufende Blätter. Moderne Windkraftanlagen sind für Ökostrom-Erzeugung konzipiert und benötigen schnelllaufende, leichte Rotoren mit wenigen Blättern.

Moderne Rotorblätter bestehen aus faserverstärkten Kunststoffen mit Glasfasern und teilweise Kohlenstofffasern. Die Kunststoffmatrix bildet meist Epoxidharz. Die Herstellung erfolgt in spezialisierten Fabriken, oft in der Nähe der Windparks, um Transportkosten zu reduzieren. 

Übrigens: Es gibt auch innovative neue Windkraftanlagen ohne Rotorblätter! Diese nutzen andere physikalische Prinzipien zur Energiegewinnung.

RheinEnergie setzt auf bewährte Drei-Blatt-Technik

Ein aktuelles Beispiel für die Effizienz der Drei-Blatt-Technologie ist unser erfolgreiches Repowering-Projekt im Windpark Coppanz in Bucha bei Jena. Dort haben wir sechs ältere Anlagen durch drei neue, hochmoderne Turbinen ersetzt – mit beeindruckenden Ergebnissen: Der jährliche Stromertrag steigt von 12 auf 39 Millionen Kilowattstunden. Weniger Anlagen, dreifacher Ertrag – das ist die Kraft der optimierten Drei-Blatt-Lösung.

Fazit: Drei gewinnt

Die scheinbar einfache Frage nach der Anzahl der Rotorblätter zeigt, wie komplex moderne Energietechnik ist. Die modernen Zwei- oder Dreiblattrotoren erreichen einen Wirkungsgrad von 25 bis 30 Prozent, wobei die Drei-Blatt-Lösung das optimale Verhältnis aus Energieertrag, struktureller Belastung und Wirtschaftlichkeit bietet.

So werden aus den romantischen Windmühlen der spanischen Urlaubslandschaft hocheffiziente Kraftwerke für die Energiewende. Die nächste Generation von Windkraftanlagen wird weiterhin auf das bewährte Drei-Blatt-Design setzen – denn in der Windkraft gilt eindeutig: Drei gewinnt!

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