24.11.2020 Janine

Das altbekannte Problem Mikroplastik und neue Lösungsansätze

Ungefähr 1,5 Millionen Tonnen Mikroplastik geraten laut Schätzungen der Weltnaturschutzunion (IUCN) jedes Jahr in die Meere. Wie groß das Ausmaß der Belastungen für Organismen, Menschen und Ökosysteme ist, lässt sich bisher nicht abschätzen. Wovon die Experten in Bezug auf den Menschen bislang aber ausgehen, sind negative Effekte auf das Immunsystem, die Fertilität und die Sterblichkeitsrate.

Mikroplastik ist in aller Munde. Im übertragenen Sinne, weil es zu den größten Umweltproblemen zählt und alle seit Jahren darüber reden, aber auch ganz wörtlich. Denn die winzigen Partikel sind wirklich überall: In den Wolken, im menschlichen Stuhl, in unserem Trinkwasser. Es sind Plastikteilchen mit einer Größe von weniger als fünf Millimetern. Studien haben bereits gesundheitsschädigende Wirkungen nachgewiesen, die unter anderem Herz-Kreislauf-Erkrankungen, hormonelle Veränderungen sowie Fettleibigkeit ausgelöst haben.

 

Woher stammt Mikroplastik und was können wir dagegen unternehmen?

Meist dauert es Jahrzehnte, bis die Partikel sich zersetzen. Eine Plastiktüte schwimmt bis zu 20 Jahre im Meer, bevor sie endgültig zerrieben ist. Doch nicht nur die größeren Kunststoffprodukte bereiten Probleme, sondern auch Mikrofasern, die beispielsweise in Textilien verwoben sind. Beim Tragen und Waschen von Kleidungsstücken aus Synthesefasern (z.B. Elasthan, Polyamid oder Polyester) werden sie freigesetzt und in das Ab- und Meerwasser gespült. Gerade aus Fleece-Materialien werden besonders viele Fussel ausgewaschen. Eine Untersuchung der Weltnaturschutzunion (IUCN) hat herausgefunden, dass ein Großteil der Plastikpartikel in den Meeren von Autoreifen (28,3 %) und synthetischer Kleidung (34,8 %) stammt. Und zwar in einer bislang nicht bekannten Größenordnung. Natürlich ist Funktionskleidung praktisch. Sie schützt vor Nässe, Wind und Kälte und ist dabei noch atmungsaktiv. Aber die in den Materialien enthaltenen Fluorkohlenstoffverbindungen gefährden neben der Umwelt auch unsere Gesundheit. Laut der Deutschen Bundesstiftung Umwelt enthalten sie krebserregende, giftige Stoffe wie etwa per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC), die wasser-, öl- und schmutzabweisend beschichtet und stark fluorkohlenstoffhaltig sind. 

Wer nicht auf Funktionskleidung verzichten möchte, kann alternativ fair und umweltfreundlich produzierte Funktionskleidung aus Naturmaterialien wie Bio-Baumwolle, Hanf, Leinen, Merinowolle, Seide oder Tencel kaufen oder beim Waschen einen Mikroplastik-undurchlässigen Waschbeutel benutzen. Dieser sorgt dafür, dass weniger Mikrofasern in das Abwasser gelangen. 

 

 

Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Textilfasern bietet das Materialforschungsunternehmen „PrimaLoft“ mit einer Kunststofffaser, die zu 100 Prozent aus recycelten PET-Flaschen besteht. Gelangen diese Fasern ins Ab- oder Meerwasser oder landen sie auf einer Mülldeponie, zerlegen dort vorkommende Mikroben sie in natürliche Elemente, ohne schädliche Rückstände oder Plastikreste zu hinterlassen, erklärt PrimLoft. Die Fasern würden durch den Zersetzungsprozess in Wasser, CO2, Methan, Biomasse und Humus umgewandelt und binnen zweier Jahre vollständig abgebaut. Die ersten Kleidungsstücke sind inzwischen bei Herstellern wie 4F, ESKA, Goldwin, Horsefeathers, Icebug, Jack Wolfskin, Maloja, Namuk, Reusch, Roeckl und Viking zu finden.

 

Autoreifen sind schlimmer als Feinstaub

Pro Jahr verursacht Deutschland laut einer Studie des Fraunhofer Instituts rund 330.000 Tonnen Mikroplastik. Somit ist jeder Bundesbürger im Schnitt für circa vier Kilogramm Mikroplastik jährlich verantwortlich. Es stammt unter anderem aus Kosmetika, Textilwäsche und Schuhsohlen. Die stärkste Belastung verursachen jedoch Autoreifen mit rund 120.000 Tonnen Reifenabrieb pro Jahr. Zum Vergleich: Mikroplastik aus Kosmetik beläuft sich jährlich „nur” ca. 16.000 Tonnen. Reifenabrieb enthält unter anderem Zink, Blei, Cadmium und krebserregende Weichmacher. Diese Stoffe werden von Organismen aufgenommen und können kaum abgebaut werden. Durch Regen gelangen die Gummipartikel in Gewässer und Böden sowie die Kanalisation. Zwar können die Kläranlagen einen großen Teil des Plastiks herausfiltern, dennoch gelangen rund fünf Prozent davon in die Umwelt und damit in unsere Nahrungskette.

 

Vollkommen vermeiden lässt sich dieser Abrieb nicht, denn er entsteht durch den Straßenbelag und wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst, wie zum Beispiel Fahrgeschwindigkeit, Berg- bzw. Talfahrten, Reifendruck und Kurvenzahl. Mehr öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, ist zwar wünschenswert, jedoch nicht immer eine Option. Derzeit gibt es noch keine Regulierungen für Reifenhersteller. Dies könnte sich jedoch bald ändern, denn für Elektrofahrzeuge könnte das Problem besonders wichtig werden: Sie sollen einerseits nachhaltig sein, andererseits sind sie aber aufgrund ihrer Batterie besonders schwer und verursachen somit auch mehr Reifenabrieb. 

 

Eine Möglichkeit, den Reifenabrieb zu vermindern, ist, starkes Anfahren und Abbremsen zu vermeiden. Auch der Reifendruck spielt eine Rolle: Ist er zu hoch oder zu niedrig, nutzt sich der Reifen am Rand schneller ab. Regelmäßige Kontrolle lohnt sich also. Inzwischen gibt es sogenannte Öko-Reifen, die durch einen geringeren Rollwiderstand Sprit sparen und den CO2-Ausstoß verringern sollen. Im Idealfall schonen sie nicht nur Umwelt und Portmonee, sondern bestehen auch aus nachhaltigen Rohstoffen. Das Fraunhofer Institut für Molekularbiologie und angewandte Ökologie (IME) in Münster forscht beispielsweise an einem Reifen aus Kautschukersatz aus der Wurzel des Löwenzahns. Das ist aber aktuell noch Zukunftsmusik, der alternative Werkstoff ist noch in der Erprobung. 

Kunstrasen könnten bald verboten werden

Allein von Fußballplätzen aus Kunstrasen könnten jedes Jahr knapp 8.000 Tonnen Mikroplastik in die Umwelt gelangen, schätzt eine Studie des Fraunhofer Instituts. Diese werden meist mit einem Granulat weich gehalten. Ab 2022 könnten solche Plätze mit Gummigranulat sogar komplett verboten werden. Die EU-Kommission hat im vergangenen Jahr ein entsprechendes Prüfverfahren in die Wege geleitet. Laut des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) nutzen derzeit 6.000 Vereine in Deutschland Kunstrasenplätze. Sollte das Verbot im nächsten Jahr kommen, müssten sie mit Kork oder Sand verfüllen. In einigen deutschen Städten werden diese Alternativen bereits erprobt. Das deutsche Umweltministerium arbeitet zeitgleich an einem „Blauen Engel“ für Kunstrasen. Dort werden Vorgaben für umweltfreundliche Sportplätze entwickelt: An dem Umweltzeichen können sich Kommunen zukünftig bei der Ausstattung ihrer Sportplätze orientieren, heißt es aus dem Ministerium.





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