Bei der Heim-EM wartet der bisher wohl schwerste Gegner auf die deutsche Fußballnationalmannschaft. Im Viertelfinale trifft das Team um Real-Madrid-Star Toni Kroos auf die spiel- und passstarken Spanier. Wer nach Abpfiff noch Kraft zum Jubeln hat, wird sich zeigen. In unserer EM-Energie-Serie werfen wir einen Blick auf die Energiequellen des gerade bei uns Deutschen beliebten Reiselandes Spanien.
Sonne, Sonne, Sonne: Was jedes Jahr Millionen Touristen aufs spanische Festland und auf die Inseln im Mittelmeer und Atlantik lockt, ist für die Energieerzeugung Spaniens tatsächlich gar nicht so wichtig. Im Jahr 2023 erzeugten die Iberer nur 16,5 Prozent ihres Stroms per Photovoltaik. Zum Vergleich, das an Sonnenstunden deutlich ärmere Deutschland kommt immerhin auf zwölf Prozent. Stattdessen setzt das Land voll auf Windenergie: Rund 25 Prozent des Stroms stammt aus Onshore-Windparks, welche an den windreichen Küsten und auf den weiten Flächen des iberischen Hochplateaus zu finden sind.
Der Anteil der erneuerbaren Energien steigt jährlich an. Im europaweiten Vergleich ist Spanien damit weit vorn in Sachen Energiewende. Zwischen Spanien und Deutschland kommt es hier zu einem fairen Unentschieden: 2023 deckten beide Länder rund 60 Prozent ihres Stromverbrauchs aus regenerativen Quellen.
Windkraft – mehr als heiße Luft
Den mitunter heißen Wind, der über die spanische Hochebene weht, wissen die Spanier seit jeher zu nutzen. Davon zeugen noch heute die vielen historische Windmühlen im Land, an denen sich Miguel de Cervantes berühmte Romanfigur Don Quijote abkämpfte. Das moderne Spanien nutzt den Wind, um über 22.000 Windenergieanlagen in rund 1.300 Windparks anzutreiben. Diese erzeugen mehr Strom als die sieben Kernkraftwerke des Landes zusammengenommen: rund 30 Gigawatt, Tendenz steigend.
Iberische Solaroffensive
Dass Spanien das liebste Reiseziel der Deutschen ist, hat einen Grund: Wer hier Ferien macht, kann sich in der Regel auf Sonnenschein verlassen. Das wissen natürlich auch die einheimischen Energieexperten. Und so gingen die ersten großflächigen Solaranlagen bereits vor über 40 Jahren ans Netz. Der Ausbau geriet allerdings im Zuge der Finanz- und Staatsschuldenkrise um das Jahr 2008 ins Stocken, hat in den vergangenen Jahren aber wieder an Fahrt aufgenommen. Im April 2024 haben die Solaranlagen in Spanien erstmals über 20.000 Megawatt Strom erzeugt.
Wasserstoff für Europa?
Spanien plant seine Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien in den kommenden Jahren massiv auszubauen: Bis 2030 soll sie um 89 Gigawatt auf 214 Gigawatt anwachsen. Zukünftig kann Spanien deshalb eine europäische Schlüsselrolle in der Herstellung von grünem Wasserstoff spielen. In Puertollano, etwa 250 Kilometer südlich der Hauptstadt Madrid, steht bereits Europas größte Anlage zur Wasserstoffproduktion. Vor allem Deutschland hat großes Interesse an klimaneutral hergestelltem Wasserstoff – um sich von Erdgas unabhängiger zu machen und die Klimaschutzziele zu erreichen. Baden-Württemberg zum Beispiel hat sich bereits mit der spanischen Region Andalusien zusammengetan und will beim Aufbau eines europäischen Wasserstoffnetzes mitarbeiten. Grüner Wasserstoff könnte dann per Pipeline nach Süddeutschland gelangen, im Gegenzug könnten Betriebe aus dem „Ländle“ die spanischen Partner mit Anlagen- und Brennstoffzellentechnik versorgen.
Im Abseits: Kohle und Kernenergie
Der Anteil des Stroms aus Steinkohle lag in Spanien zuletzt nur noch bei 1,6 Prozent. In diesem Jahr soll der Energieträger Kohle komplett aus dem Strommix verschwinden. Dazu sichert das Land seinen Energiebedarf mit Kernenergie ab: 22,2 Prozent des Stroms stammen aus dieser Erzeugungsart. Aber auch hier ist bald Schluss: Ende 2023 hat die Regierung einen Zeitplan für den Kernenergieausstieg vorgestellt. Demnach sollen die sieben derzeit in Betrieb stehenden Einheiten zwischen 2027 und 2035 vom Netz genommen werden.
Gas bleibt wichtig – und Wasser
Erdgas ist zusammen mit der Kernenergie nach der Windenergie der zweitwichtigste Energielieferant zur Stromerzeugung in Spanien. Entfielen 2022 rund 30 Prozent der Stromerzeugung auf Erdgas, waren es 2023 nur noch 22,2 Prozent – der Rückgang ist vor allem durch die Erdgas-Lieferengpässe im Zuge des Ukraine-Russland-Konflikts zu erklären. Erdgas wird in Spanien – wie in vielen Ländern, die den Kernenergieausstieg angehen oder bereits vollendet haben – ein wichtiger Energieträger bleiben. Weiterhin wichtig bleibt auch die Stromgewinnung durch Wasserkraft. Dass eigentlich nicht sehr regenreiche Spanien bezieht immerhin rund sieben Prozent seines Stroms aus Speicherwasserkraftwerken, doppelt so viel wie Deutschland.
Das Netz ist die Schwäche
Eigentlich befindet sich Spanien in einer luxuriösen Situation: Die Energieerträge der erneuerbaren Energien sind mittlerweile so hoch und gestützt durch die Kernenergie, dass das Land viel Energie exportieren könnte: Theoretisch bis zu acht Prozent der Erzeugung. Zielländer wären vor allem Portugal und Frankreich. Ein Hemmschuh ist aber das unzureichende Stromnetz, dessen Ausbau mit dem Zuwachs der erneuerbaren Energien derzeit nicht Schritt halten kann. Auch ist das große Nachbarland Frankreich – das 67 Prozent seines Stroms aus eigener Kernenergie gewinnt – aktuell wenig offen für den Import von Strom „Made in España“.
Ihr möchtet noch mehr erfahren? Hier findet ihr weitere Informationen zur Energiewende in Spanien.