Vor zwei Tagen hat Deutschland in Brasilien den WM-Pokal gewonnen. „Ob unsere Kunden zur WM-Feier nach Berlin gefahren sind?“ Die Beraterin blickt sorgenvoll auf ihren Computermonitor. Normalerweise besuchen täglich rund 300 Kunden das Kundenzentrum der RheinEnergie am Parkgürtel. Heute haben unsere Berater bis 10:37 Uhr „erst“ 47 Gespräche geführt. Wir nehmen es gelassen. So bleibt Zeit für ein Gespräch. Oh, doch nicht. Auf dem Monitor ploppt ein Hinweis auf, ein Kunde wartet.
#48*: Mit der Rechnung kam der Schock
Die junge Frau mit den kurzgeschorenen Haaren hat ihr Outfit fest im Griff – mit ihren Finanzen verhält es sich da anders. Vor uns hat sie eine Mahnung ausgebreitet. Die Frau soll mehrere hundert Euro nachzahlen. Sie ist vor einigen Monaten umgezogen. Der Vormieter habe gesagt, der Stromverbrauch sei gering. Die vorläufigen Abschlagszahlungen gaben ihm Recht. Vorerst. Vor einigen Wochen kam die Jahresrechnung und mit ihr eine Nachforderung. Ein Schock. Wo sie das Geld auftreiben soll, weiß die Hartz-IV-Empfängerin beim besten Willen nicht. Bis heute. Und das ist ihr sichtlich peinlich. Immer wieder senkt sie während des Gesprächs den Blick. „Wir könnten eine Ratenzahlung vereinbaren, dann haben Sie elf Monate Zeit, um den Betrag zu begleichen“, bietet die Kundenberaterin der jungen Frau an. Kopfschütteln. Kein Geld. Auch nicht in den nächsten Monaten. Unsere Kollegin stellt der jungen Frau eine Bescheinigung für die ARGE aus. Damit kann die Frau beim Amt ein Darlehen beantragen. Die Frau verlässt uns erleichtert.
„Wir beraten die Leute hier realistisch“, sagt die Kundenberaterin nach dem Gespräch, „alles andere wäre unverantwortlich. Bei einem Vertragsabschluss ködern manche Firmen die Kunden mit niedrigen monatlichen Abschlägen. Das klingt im ersten Moment verlockend. Mit der Jahresabrechnung kommt dann allerdings auch eine Nachforderung und der vermeintlich günstige Tarif entpuppt sich in Wahrheit als teuer.“ Leere Worte sind das nicht, wie ich bei unserem nächsten Besucher beobachten darf.
Das Kundenzentrum der RheinEnergie am Parkgürtel
- Anzahl Kunden pro Tag: 200 bis 400
- Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 08:00 bis 18:00 Uhr
- Adresse: Parkgürtel 24, 50823 Köln
#51: „Das muss ich mit meiner Frau besprechen“
Der Herr ist um die 70. Statt einer Rechnung hat er ein fein säuberlich mit Bleistift beschriebenes Blatt Papier mitgebracht. In Schönschrift sind darauf die Abschläge der vergangenen Monate und, fett unterstrichen, die Summe einer Nachforderung aufgelistet. „Das hat mir meine Frau aufgeschrieben“, der Mann schiebt uns den Zettel entgegen, „wir verstehen nicht, wie dieser Wert zustande kommt.“ Unsere Kundenberaterin schaut sich die Beträge an und vergleicht sie mit den Daten in ihrem Computer. „Sie sind vor kurzem umgezogen?“ „Ja, nach Hürth.“ „Sie beziehen dort den Grundtarif, zudem sind Ihre Abschläge für einen Zweipersonenhaushalt eher niedrig angesetzt“, gibt unsere Kollegin zu bedenken. In der alten Wohnung habe der Betrag immer ausgereicht, entgegnet der Mann.
„Haben Sie in der neuen Wohnung Durchlauferhitzer?“ Hat er. „Für Warmwasser wird relativ viel Strom benötigt“, weiß die Kollegin. „Eine volle Badewanne kostet rund einen Euro, fünf Minuten Duschen etwa 50 Cent.“ Unsere Kunden-betreuerin schlägt vor, die monatlichen Abschläge etwas anzuheben. Der Mann stimmt zu. Unsere Kollegin hebt den Betrag für die monatlichen Abschläge um zehn Euro an und überreicht dem Mann anschließend einen Flyer. „Wir können Ihnen auch einen günstigeren Tarif als Ihren jetzigen anbieten. Der Mann betrachtet die Broschüre. „Das muss ich mit meiner Frau besprechen.“ Unsere Kollegin schmunzelt: „Klären Sie das ruhig mit ihrer Frau und sagen Sie ihr, dass Sie mit dem Tarif nochmal sparen könnten.“
„Das war jetzt aber keine Lobhudelei“
Es wird laut. Sehr laut. An Arbeitsplatz 12 sind sich ein Berater und ein Kunde uneins. Wir schauen auf. Der Kundenbetreuer bittet den Kunden freundlich um Mäßigung. Der grollt weiter und geht schließlich schimpfend weg. „Das war jetzt aber keine Lobhudelei“, sagt die Kundenberaterin. „Soviel Türkisch verstehe ich dann doch.“ Das muss sie auch, denn oft können die Kunden nur schlecht Deutsch.
Bei den geläufigsten Sprachen helfen im Problemfall Mitarbeiter mit entsprechenden Kenntnissen aus. Sind die gerade nicht im Dienst, behilft man sich mit Zeichensprache. Das klappt fast immer. Doch die Kunden helfen sich auch gegenseitig: Eine ältere Dame aus Rumänien etwa kommt regelmäßig ins Kundenzentrum und unterstützt ihre Landsleute bei den Formalitäten.
#55: Kleine Scheine aus dem Stundenhotel
„Ich will meine Abschläge zahlen.“ Ein stämmiger Mann um die 50 wirft mit diesen Worten bündelweise Fünf-Euro-Scheine auf den Tresen der Kasse. Ein Standard-vorgang – von den vielen Scheinen einmal abgesehen. Ich muss unweigerlich an einen amerikanischen Film denken, in dem ältere Herren leicht bekleidete Damen in einem Stripclub großzügig mit Dollar-Scheinen beschenken. Kein unbegründeter Gedanke, wie sich später herausstellt. Unsere Mitarbeiterin sucht im Abrechnungssystem anhand der Kundennummer nach dem Stromzähler, über den sie die Einzahlung verbuchen kann – und findet über zwei Dutzend. Staunen. „Das dauert jetzt ein bisschen.“ Der Mann guckt vergnügt und verweist auf eine Tabelle, die die Kollegen sonst immer nutzen würden. In der Tat: Im Rechner ist bereits eine Excel-Tabelle für den Stammkunden hinterlegt. Die Einzahlungen sind schnell zugeordnet und verbucht.
Der Mann betreibt ein Stundenhotel, wie ich später erfahre. Jedes Zimmer ist mit einem eigenen Zähler ausgestattet. Ihre Miete begleichen die Damen oft in kleinen Scheinen. Der „Hotelier“ reicht sie an uns weiter. „Ich bin mal gespannt, wie der bei den vielen Scheinen mit unserem neuen Automaten zurechtkommen wird“, gibt die Kollegin zu bedenken und spielt auf das neue Zahlsystem an, bei dem Kunden Ein- und Auszahlungen im Kundenzentrum in Kürze selbstständig über Automaten vornehmen können.
Neues Kundenzentrum eröffnet im September 2014
Der nächste Termin wartet. Ich lasse die Kollegen jetzt in Ruhe weiter arbeiten. In einem halben Jahr möchte ich mir aber einmal ansehen, wie es in unserem neuen Kundenzentrum zugeht, das wir im September eröffnen. Wer weiß, vielleicht treffe ich den Hotelier diesmal vor den neuen Einzahlautomaten an, wo er einen Schein nach dem anderen hineinschiebt.
Wie seht ihr das? Wollt ihr neue Geschichten aus unserem Kundenzentrum lesen? Dann postet eure Meinung dazu doch unter diesen Beitrag.
*Die Kollegen im Kundenzentrum nehmen stets auf die persönlichen Umstände der Besucher Rücksicht. Da wir die Privatsphäre unserer Kunden auch in diesem Bericht respektieren wollen, haben wir zur Unterscheidung die jeweiligen Wartenummern genannt und auf die Erwähnung der Namen verzichtet.