Zwei europäische Teams von Wissenschaftlern möchten mithilfe der Osmosekraft Erneuerbare Energie erzeugen. Der Strom soll dabei aus der chemischen Differenz gewonnen werden, die entsteht, wenn Salz- und Süßwasser aufeinandertreffen.
Eine Unterrichtseinheit: Was ist Osmose?
Als Osmose bezeichnet man in den Naturwissenschaften den Fluss von Molekülen durch eine nur für bestimmte Stoffe durchlässige Trennschicht. Meist kann das Lösungsmittel, dabei handelt es sich häufig um Wasser, nicht aber die darin gelösten Stoffe die Trennschicht passieren.
Diesen Fluss der Moleküle möchten die niederländische Firma Wetsus und Statkraft, eine Firma aus Norwegen, nun gewinnbringend zur Stromgewinnung einsetzen. Beide Firmen liefern sich derzeit mit unterschiedlichen Herangehensweisen einen Wettstreit um die technische Vorherrschaft in Sachen Stromerzeugung mittels Osmosekraft.
Die reverse Elektrodialyse (RED) von Wetsus
An der Mündung des Rheins in die Nordsee soll eine gigantische Osmose-Batterie entstehen. Das Funktionsprinzip gleicht dabei dem einer Auto-Batterie, in welcher zwei Membranen installiert sind. Beide Membranen lassen zwar kein Wasser, dafür aber die darin enthaltenen Ionen passieren. Eine Membran lässt Natriumionen durch, die andere Chlorionen. Beide Stoffe sind ein Bestandteil von Salzwasser. Die positiv geladenen Natriumionen aus dem Salzwasser fließen in der Batterie durch einen Kanal, der mit Süßwasser gefüllt ist. Die negativ geladen Chlorionen durchlaufen in entgegengesetzter Richtung die zweite Membran. Innerhalb der Membranen entsteht so eine elektrische Differenz bzw. Strom, der sich abführen lässt. Einen Namen für die Methode hat sich Wetsus auch einfallen lassen: Blue Energy. Wetsus schätzt, dass sich mit dem Verfahren jedes Jahr ein Gigawatt Strom produzieren ließe. Genug, um rund 600.000 Haushalte mit Strom zu versorgen.
Die druckreduzierte Osmose von Statkraft
Die Experten von Statkraft setzen hingegen auf die druckreduzierte Osmose (PRO: pressure-retarded osmosis). Die Funktionsweise ist relativ einfach: Es existieren zwei Kammern, von denen eine mit Salz- und die andere mit Süßwasser gefüllt ist. Beide Kammern sind durch eine nur für bestimmte Stoffe durchlässige Membran voneinander getrennt.
Die Trennschicht funktioniert in diesem Fall wie ein Einwegventil, durch welches das Süßwasser aufgrund des Konzentrationsgefälles in die Kammer mit dem Salzwasserkonzentrat gezogen wird. So erhöht sich der Druck in der Salzwasserkammer. Die Kraft, die dabei entsteht, ist groß genug, um eine Turbine anzutreiben, die Strom produziert. Einziges „Abfallprodukt“: Salzwasser. Laut den Analysen von Statkraft kann der durch Osmosekraft hergestellte Strom zehn Prozent des norwegischen Bedarfs decken (rund zwölf Terrawatt).
Die Vorteile von Osmosekraft
Durch Osmose lässt sich außerordentlich sauberer Strom herstellen, denn als „Abfallprodukt“ entsteht lediglich Salzwasser. Die Stabilität der Stromherstellung ist weitaus höher als bei Wind- oder Sonnenkraft, da das Wetter keine Rolle spielt. Ein weiterer Vorteil: Ein Osmose-Kraftwerk kann jährlich 7.500 Stunden betrieben werden, wohingegen ein Wind-Kraftwerk auf maximal 3.500 Betriebsstunden kommt. Weltweit beträgt die Produktionskapazität für Osmosestrom 1.600 – 1.700 Terrawattstunden, was einem Prozent des weltweiten Energiebedarfs entspricht.
Osmose-Kraftwerke lassen sich zudem auch unterirdisch errichten. So bleibt der Blick auf die Landschaft ungetrübt. Theoretisch können die Kraftwerke überall dort gebaut werden, wo Süßwasser und Salzwasser in großen Mengen aufeinandertreffen.
Die Nachteile der Osmosekraft
Die Osmosekraft ist zwar vielversprechend, jedoch störanfällig. Ein Problem ist etwa die Verschmutzung der Membranen durch Algen und Schlick. In dieser Hinsicht ist Wetsus schon recht weit, allerdings hat das Unternehmen Schwierigkeiten mit der Haltbarkeit und Effizienz der Membranen.
Spezielle Beschichtungen von Statkraft sollen verhindern, dass sich der Schmutz ablagert. Außerdem sollen die Verschmutzungen durch einen Strömungswechsel entfernt werden, auf diese Weise würden die Membranen „gespült“ werden.
Osmosekraftwerke sind mit Wind-, Wasser- und Solarkraftwerken nicht vergleichbar. Die Installation ist weitaus einfacher und benötigt lediglich große Mengen an Süß- und Salzwasser. Perfekt dafür geeignet sind Regionen mit großen Küstenabschnitten und zahlreichen Mündungen.
Osmosekraft könnte maximal ein Prozent des weltweiten Energiebedarfs decken. Das Energieproblem löst sie damit nicht. Effizienzsteigerungen vorausgesetzt könnte sie aber eine wichtige Ergänzung im Strom-Mix darstellen und den Anteil Eneuerbarer Energie zusätzlich steigern.